Seit mindestens 16 Jahren suchen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage nach der Cashcow für ihre Online-Veröffentlichungen. Der Spiegel- und der Axel-Springer-Verlag gelten in der Branche als Vorbilder in Sachen PaidContent. Viele Andere, wenn nicht gar die Meisten, suchten bisher vergeblich.
Auch der aktuelle Verleger-Hype um die Heilsbringer iPad und Tablets wirkt nicht selten wie der Tanz ums goldene Kalb, das besonders im Falle des iPad auch noch teuer gefüttert werden will.

Paid Content: Zeitungs-Apps auf dem iPad
Letztere werden seit dem neuerlichen Anlauf der New York Times wieder heiß diskutiert. Selbst die Wall Street glaubt an das Pay-Konzept der Times. Je nach Endgerät(en) kostet das Online-Abo der Times zunächst in Kanada zwischen 15 und 35 Dollar. Bis die Kasse klingelt, können 20 Artikel frei gelesen werden. Wer auf die New York Times über Google zugreift, bekommt dagegen nur fünf Artikel frei im Monat, während es für Zugriffe über Facebook und Twitter überhaupt keine Beschränkung gibt.
Neu am Ansatz der NYT ist, dass nicht mehr Google als Traffic-Garant gesehen wird, sondern die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook, bei denen die Paywall unten bleibt. Das war 2009, als der Axel-Springer-Verlag für lokale Meldungen zum Beispiel beim Hamburger Abendblatt eine Bezahlung verlangte, noch anders. Die Abendblatt-Meldungen sind seit dem über Google weiter kostenfrei erreichbar, wohl auch, um das Google-Ranking der Website durch die Paywall nicht negativ zu beeinflussen. Selbst wenn der Konzern keine konkreten Erlöszahlen nennt, scheint zumindest bei Springer die Strategie aufzugehen. 2010 erweiterte der Verlag diesen Ansatz auf seinen Sport-Content. Springer benennt in seinem Geschäftsbericht 2010 explizit die “journalistische Qualität und starke Marken” als Grund für das Aufgehen seiner PaidContent-Strategie. Die Entwicklung journalistischer Qualität und das Aufstellen der Paywall für ausgewählte Inhalte, scheint zumindest ein richtiger Ansatz zu sein, denn Springer steigert seine Erlöse aus der Digitalisierung stetig.
Wird die Paywall dagegen vor das gesamte Angebot gestellt oder auch nur eine Pflicht-Registrierung gefordert, macht sich das in der Reichweite negativ bemerkbar. Zwar wurde das Gerücht nie bestätigt, aber die ehrwürdige London Times soll 2010 so 80 Prozent der Visitor eingebüßt haben, für unter dem Strich 50.000 Abonnenten (lt. News International, London). Hier zeigt sich die geringe Zahlungsneigung der Nutzer von Online-Angeboten. Forrester Research will herausgefunden haben, dass nur 13 Prozent der europäischen Internetnutzer bereit wären, für Inhalte im Netz zu bezahlen (Medium Magazin / Schweizer Journalist 3/2011).
Die, die bereit sind zu zahlen, haben zumindest bei der London Times angeblich ein hohes Einkommen und sind dadurch eine interessante Werbezielgruppe, sagte der britische Medienjournalist Peter Kirwan dem Medium Magazin. Doch was hilft die Qualität der Zielgruppe wenn es einfach zu wenig Leser sind. Der Mediendienst Meedia berichtete Anfang April, dass Rupert Murdochs Traditionszeitung wegen des Leserschwunds die Redakteure weglaufen. “Im Februar brach die Auflage … im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 12 Prozent ein”, schreibt Meedia. (Ergänzung 5.4.2011)
Die geringste Bereitschaft zu bezahlen, gibt es aus verständlichen Gründen für allgemeine Nachrichten aus dem Agentur-Ticker. Klar, die gibt es schon an jeder Ecke, und wer dafür bezahlen soll, findet den selben Inhalt bei einem Marktbegleiter kostenlos. Je exklusiver der Inhalt, desto höher ist die Bereitschaft, dafür zu bezahlen, haben Beispiele des Wallstreet Journal, der Financial Times, aber auch des Springer-Verlages gezeigt. Aber: Das Bezahlen muss einfach sein. Von den 3,2 Millionen registrierten Onlinenutzern der Financial Times seien bereits 200.000 zahlende Abonnenten, so Marie Beth Christie, Head of Product Management der FT Group, gegenüber dem Medium Magazin.

"RP+", Die Sonntags-App der Rheinischen Post aus Düsseldorf
Andere plumpe Versuche, auf der Welle des hippen App-Hype mitzureiten, werden kaum von Dauer bleiben, sind im AppStore aber zahlreich zu finden. Insbesondere aus dem Kreis vieler regionaler Tageszeitungen werden gleich täglich neue App-Ausgaben der gedruckten Ausgabe in den App-Store gestellt. Die App ist hier eigentlich nicht mehr als eine andere Form des E-Paper, ein IVW-getriebenes Erlösmodell, das bei den vielen Verlagen seit der Jahrtausendwende gerade mal Kosten deckend betrieben wird.
Wer es nicht schafft, seine journalistisch-publizistischen Stärken und Alleinstellungsmerkmale zu verstärken und in Bezahlinhalte umzumünzen, wird wohl noch lange den Erlösquellen in der digitalen Welt hinterher laufen. Regionale Tageszeitungsverlage sollten schon bei ihren Inhalten für den Webbrowser nicht dauernd in Konkurrenz mit den großen Portalen treten. Das Regionale ist die Stärke, selbst wenn es Marktbegleiter gibt. Die Stärken der eigenen Redaktion in Kombination zum Beispiel mit Standort bezogenen Diensten und Daten etwa, könnte unique Online-Inhalte schaffen, die sich in ihrer Alleinstellung auch für das Tablett erlösträchtig aufbereiten lassen. Eine Kopie des Onlineauftritts oder der Printausgabe für das Tablet dagegen wohl kaum. Weniger, aber dafür gut gemacht mit guten Funktionen ist bei Verlags-Apps mehr.
Doch hier ist redaktionelle und verlegerische Kreativität in den Medienhäusern gefragt, die sich auch nicht allein auf das iPad konzentrieren sollte. Android (Google) wird in der mobilen Welt zunehmend wichtiger und schon in diesem Jahr die führende Plattform werden, wenn sie das nicht schon ist. Da erscheint es besser, sich plattform-neutral zu entwickeln, wie etwa Zeit Online. Alleine das Vertriebsmodell von Apple mit seiner 30-Prozent-Marge zwingt die Verlage, alternative, parallele Wege einzuschlagen.
Eines jedenfalls hat die Erfahrung gezeigt: Es gibt nicht den einen Königsweg, der das gesamte Online-Engagement mit einer Kasse versieht. Und es gibt nicht den einen Königsweg, der für alle publizistischen Angebote gleich gut ist. Und es gibt nicht die eine, finanzielle Erlösung versprechende Plattform. Und vor allem: Das, was heute funktioniert, kann morgen in der digitalen Welt schon der Ladenhüter im App-Store werden. Die digitale Welt entwickelt sich schneller als die Verlagswelten früherer Jahrzehnte mit ihren langfristigen Erlös-Perspektiven.